Aber jetzt auch nochmal sportlich etwas zur Saison von Union:
Halber Umbruch == Voller Einbruch
Ich erinnere mich noch an letzten Sommer und die Hoffnungen bei Vielen, dass mit den CL-Millionen spielerisch wieder ein nächster Schritt gegangen werden kann. Oliver Ruhnert hatte noch einen „sehr aufwändigen Transfersommer“ angekündigt, was er dann auch war, allein schon finanziell, und nach seiner späteren Aussage war er damit „zu 90% zufrieden“. Das waren dann wohl leider entscheidende 10%, die gefehlt haben. Am Ende konnte ein weiterer Umbruch nach oben nicht geschafft werden, nachdem schon in der vorigen Saison Top-Stürmer Awoniyi gegangen ist und viel nur durch Behrens’ Wundersaison und Sheraldo Beckers überraschendem Verbleib ging. Beide waren weit weg von der Form letzter Saison, hatten auch gegen die Neuankömmlinge Fofana, Volland etc. zu konkurrieren. Von den Neuankömmlingen hat keiner in die Fußstapfen der vorigen Spieler treten können, was auch daran lag, dass viele gar nicht das gleiche Profil haben.
Hollerbach, Vertessen, Volland, Aaronson sind alles Spieler, die eher auf den Flügeln bzw. hängend eingesetzt werden müssten. Kaufmann, der einzige mit zumindest ähnlicher Größe wie Behrens und Awoniyi, war offenbar noch ziemlich weit entfernt von Bundesligaqualität (sagt er selbst).
Meine These ist (nicht sehr gewagt), dass man schon im Sommer eigentlich einen Systemwechsel hin zu Flügelspiel und 4er-Kette einleiten wollte, wenigstens als feste Option. Das legen nicht nur die Einkäufe nahe, sondern auch einige Testspiele und einige Pflichtspiele 2023, wo man es noch probiert hat. Das hat dann mit Fehlkäufen und Wechselwünschen einiger Spieler (z.B. Jamie Leweling, der auch eigentlich Außenspieler ist) nie so richtig funktioniert. Auch Bjelica hatte ganz am Anfang ja ein paar mal 4er-Kette spielen lassen, aber dann schnell gemerkt, dass das mit den Spielern nicht geht, allen voran - glaube ich - wegen dem Stürmermangel und vielleicht noch gravierender der LV-Situation.
Der offensichtlichste und auch öfter schon angesprochene Wunde Punkt vorne ist ganz sicher die Mittelstürmer-Position. Da hat Ruhnert offensichtlich mit Kaufmann, dann mit Bedia und vorher auch schon mit Jordan absolut keine gute Arbeit geleistet. Ist auch immer Pech dabei, aber Fakt ist, dass Kaufmann nicht schnell genug und Bedia nicht einsatzfreudig genug für die Bundesliga (oder zumindest Unions Spiel) ist. So hat man, wie sich ja Bjelica sogar offen beschwert hat, von Anfang an keinen bundesligatauglichen Mittelstürmer, sondern nur Außen- und hängende Stürmer. Das ist dann auch deshalb schlecht, weil gerade Leute wie Roussillon und Trimmel auf den Außen aber auch das OM von hinten dringend jemand braucht, der lange (und 2., 3.) Bälle festmacht. Dazu ist Stand jetzt sowohl im Sturm als auch Mittelfeld niemand wirklich in der Lage.
Allgemein fehlten im Mittelfeld ein paar Elemente, die es vorher gab, teilweise und gerade am Anfang der Saison auch verletzungsbedingt, wo die Defensivachse der letzten Saison, Rani Khedira, und mit Andras Schäfer ein umtriebiger Spieler, der die Bälle nach vorne trägt, beide fehlten. Beide haben die Form sicher auch durch ihre langen Ausfälle noch nicht wiedergefunden.
Defensiv hat die Saison eigentlich vielversprechend angefangen, mit Roussillon/Gosens links und Juranovic/Trimmel rechts sah es außen erstmal spitze aus, innen hatten wir unsere Leistungsträger noch da + Bonucci als europaerfahrener Spieler. Leider hat an Gosens links offenbar kein Weg mehr vorbei geführt, weshalb Rouss nur 8 Startelfeinsätze hatte. Dann kamen noch mehrere Verletzungen hinzu. Gosens hat allerdings dem jeweilis linken IV so viel Arbeit hinten gelassen, dass ständig riesige Lücken entstanden sind. Die Situation war so typisch, die hat sich fast schon in meine Netzhaut gebrannt: Gosens ist auf Höhe der Mittellinie, verliert den Ball, Leite (anders als letzte Saison idR links eingeteilt), rennt aus der noch halbwegs sortiertern Dreierkette raus, um den durchziehenden Gegner zu stellen, ist meist nicht mehr schnell genug hinterher oder der Gegner passt zu den in die Lücke stoßenden Mitspieler. Ich könnte schwören, diese oder vergleichbare Situationen vor Gegentoren mindestens 10x diese Saison gesehen zu haben. Ich vermute, dass wir deutlich weniger Defensivprobleme, Gegentore und insgesamt allgemeine Unruhe gehabt hätten, wenn unsere LV defensiv stabiler gewesen wären…
…aber jetzt lese ich grade wieder davon, wie die/wir da drüben im Osten so wählen, dass ein Skinhead am Bahnhof Frankfurt/Oder offenbar akkurat und schlüssig die Bevölkerung des Ostens repräsentiert und denke an die Opfer rechter Gewalt der letzten Jahre und Jahrzehnte, nicht nur die in Halle und Brandenburg, sondern in Bayern, Hessen, Ludwigshafen… da vergeht einem die Spucke, bzw. der Tippmuskel. Ich wünsche trotzdem allen einen hoffnungsvollen letzten Spieltag.