Schiedsrichter*innen und Regeln

was sind denn „die Bedürfnisse des Publikums“? Aus meiner Erfahrung weiß mindestens die Hälfte der Stadionbesucher nicht, dass bspw eine flach nach oben ausgestreckte Hand des Schiedsrichters indirekter Freistoß bedeutet (und damit meistens Abseits). Sollte deshalb der Schiri nach jedem Abseits eine Durchsage machen, damit jeder Stadionbesucher versteht, was passiert ist? Für die 20% Zuschauer im Stadion die nicht wissen was Abseits ist, zusätzlich noch jedes Mal die Abseitsregel erklären?

Es sollte klar sein, worauf ich hinaus möchte: es gibt nicht das homogene Konstrukt Publikum mit einheitlichen Bedürfnissen. Manche gehen hin um Tore zu sehen, andere um die Stimmung zu genießen und wieder andere um Freunde zu treffen.
Den Zuschauern, die dem Spielverlauf folgen möchten, steht es frei, die Zeichengebung zu lernen und damit mehr Verständnis für die Schiedsrichterentscheidungen zu entwickeln. Alleine die Zeichengebung zu kennen, macht die angesprochenen 90% der Durchsagen obsolet. Oder es halt bleiben zu lassen, wenn es einem egal ist. Aber dann hat man auch kein Recht, sich zu beschweren.

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Da wir beim Thema VAR sind, möchte das Publikum im Stadion und am TV gerne wissen, welche Szene wird da eigentlich aus welchen Gründen geprüft. Diese Unkenntnis, die so entsteht (auch am TV) sorgt für Unzufriedenheit. Dies gilt insbesondere bei komplexen Situationen, in denen ggf. mehrfach Abseits und vielleicht noch ein Handspiel geprüft werden. Die geforderte Kommunikation und Transparenz ist da einfach ein Trauerspiel (auch am TV). Und ich habe mit noch niemandem gesprochen, der davon nicht genervt ist. Diese Durchsagen sind ein Feigenblatt.

Dass die Leute die Zeichensprache der Schiedsrichter nicht kennen, stimmt wahrscheinlich, aber es geht bei @Chefrocker’s Einwand, so wie ich ihn verstehe, doch um mehr, als nur das Ergebnis einer Entscheidung mitzuteilen (denn das ist alles, was das Zeichen macht), sondern es geht darum, das warum oder wie mitzuteilen. Abseitsfahne lesen z.B. kann jeder, aber man könnte ja bei undurchsichtigen Situationen mitteilen, wer, wieso nicht passiv, wann im Abseits stand. Oder beim Handspiel das Entscheidungskriterium benennen, wieso das jetzt trotz Hand am Ball nicht gepfiffen wurde, oder umgekehrt, trotz scheinbar angeschossener Hand gepfiffen wird. Manches könnte man auch ruhig außerhalb des VAR machen. Ich fände es super, wenn der Schiri bei jeder gelben Karte wegen Meckerns das dem Stadion laut sagen würde - meinetwegen bei laufendem Spiel. Jedenfalls ist die Durchsage völlig unwichtig, wenn sie nur die Entscheidung verbal wiederholt. Selbst diejenigen, die die Zeichensprache nicht lesen können, kriegen ja am Ende irgendwie mit, was letztendlich gepfiffen wurde. Die Auswahl oder Ausbildung der Schiris würde allerdings noch schwieriger, denn die müssten das Medium souverän bedienen können.

Also im Stadion ist es eine einzige Katastrophe. Ich spiele seit 30 Jahren selbst und behaupte, die Regeln und Handzeichen der Schiedsrichterinnen gut zu kennen. Trotzdem nervt es im Stadion (und daheim vermutlich auch), wenn ewig gecheckt wird und nicht klar ist, was. Und das geht den meisten so, damit möchte ich die @Kaer, widersprechen. Ich glaube, dass die Schiris das selbst einfach manchmal nicht wissen. Die einzige Lösung wäre, den Funkverkehr öffentlich zu machen. Das wird der DFB aber in 1000 Jahren nicht machen, was ich sogar verstehen kann. Der VAR ist so nicht tragbar, das „Entertainment-Produkt“ nimmt so Schaden, wenn Heim- und Gästefans bei jedem VAR-Einsatz „Sch…-DFB“ skandieren und es (wie bei Fürth gegen SCalke) dann 8 Minuten Nachspielzeit gibt, die dann letztendlich wegen der Verletzung von Karius 12-13 Minuten lang war. Und damit ist es eben schon eine größere Zahl als von @Kaer vermutet. Ich glaube, so wenig sachkundig ist das Publikum nicht, ich habe größeres Zutrauen in die meisten Zuschauerinnen.

Wenn ich @Kaer richtig verstanden habe ging der Einwand doch eher in die Richtung, dass es die Bedürfnisse des Publikums nicht gibt, weil es sich um keine monolithe Masse handelt, sondern um viele Menschen mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen und ich finde genau das bildet die Diskussion hier schön ab, weil jede_r aus unterschiedlichsten Gründen unterschiedlichste Bedürfnisse formuliert.
Um dem ganzen noch ein Beispiel hinzuzufügen: Als reiner TV-Konsument finde ich die Situation „es wird gecheckt und ich kann nicht durchblicken wieso“ hoch spannend. Schaue ich mit Leuten zusammen ist es fast schon ein kleines Detektivspiel, dass die Kommunikation im Raum belebt. Und ja ich empfinde beim Rätseln meistens auch recht viel Freude. Aber das ist eben nur meine Perspektive und ich verstehe gut, dass es anderen Menschen anders geht.

Gerade die Szene bei Union-Gladbach hätte so viel Potential gehabt. Da hätte Dingert sagen können: „Ein möglicher Strafstoß wurde gecheckt. Die Videobilder ergeben, dass der maßgebliche Kontakt zwar innerhalb des Strafraums, aber nicht ursächlich für das Fallen war/vom Angreifer gesucht wurde [je nachdem, was Dingert dazu bewogen hat, ihn als nicht foulwürdig zu bewerten] und damit kein Foul vorlag. Die Entscheidung lautet damit: Schiedsrichterball“

Damit hätte man gerade in einer eher komplexen und exotischen Szene für viel mehr Transparenz sowohl im Stadion als auch am TV sorgen können. Dann wäre die Durchsage auch ein echter Mehrwert. So ist es eine verpasste Chance und führt, wenn es so beibehalten wird, zu noch mehr Frust über den VAR. Aber es ist eine Testphase, vielleicht werden daraus auch Lehren gezogen.

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meiner Meinung nach interessantes Video. Ab 9:20 hört man dann die Kommunikation zwischen den Schiedsrichtern während des Spiels, finde ich wirklich sehr cool. Mehr solche Ausschnitte würden auch mehr Akzeptanz bringen (hoffe ich), sowohl für Entscheidungen als auch den VAR.