Vorrede: Irgendwie störte mich die ganze Folge hindurch, dass der Begriff „der Fußball“ undefiniert verwendet wurde. Ich hatte den Eindruck, dass nicht alle Akteur_innen darunter dasselbe verstanden, let alone die Rezipient_innen.
Im Kern stimme ich @HamezMilner zu. Intellektuell anregend und allein deswegen eine lohnenswerte Folge. Kritik habe ich bei der Anordnung, klar war das vielleicht schwer oder sogar unmöglich, aber ich hätte die drei Gäste gerne in einem Gespräch miteinander gehabt. Ich glaube damit wären einige Dinge noch besser kontexualisiert worden.
Zum Vorgehen meines Feedbacks: Ich habe mir Notizen gemacht während ich gehört habe, damit ich nicht vergesse was mir durch den Kopf geht, daher bezieht sich hier manches auf andere geschriebenen Dinge. Daher habe ich auch den Thread noch nicht ganz gelesen, daher sorry für alle Wiederholungen.
tldr: Molter verkennt die Probleme die Schwermer benennt. Das eigentliche Problem, die Monopolstellung der FIFA, kommt leider nirgendwo zur Sprache.
Interview 1:
Was mich erneut stört ist das Reden darüber was und wie ein Verein ist. Ich glaube, dass die Organisationsform „Verein“ nicht geeignet ist kommerzialisierten und professionellen Sport zu organisieren. Dennoch wird es immer sehr positiv konnotiert, als eine Art Heilmittel dargestellt.
Konkret ist das Reden vom „Bestiz“ des Vereins und den Vereinen als „Wettbewerber“ der Bundesliga fragwürdig. Einen Verein kann niemand besitzen, deswegen kann auch niemand in einen Verein investieren. Veräußert werden können nur die ausgegliederten Gesellschaften in denen die Profimannschaften organisiert sind und diese sind (bis auf einzelne Ausnahmen) die Wettbewerber der Bundesliga.
Der Verein gehört auch nicht den Mitgliedern, die Mitglieder bilden den Verein. Mag erbsenzählerisch klingen ist aber in meinen Augen eine wichtige Unterscheidung und wird beim Sprechen über Profifußball oft nicht beachtet.
Interview 2
Interessant an den Thesen von Raphael Molter ist, dass sie streitbar sind und einen anderen Analyseblick auf den Fußball legen. Ich finde seine Herangehensweise aber sehr orthodox und auch etwas oberflächlich. Habe das Buch nicht gelesen, aber ist der vermittelte Eindruck, er beruft sich theoretisch nur auf Marx und Engels korrekt? Das sind 200 Jahre alte Theorien, Marxismus ist mehr als nur Marx.
Mein eigentliches Problem mit seinen Aussagen liegt aber wo anders und dabei handelt es sich um einen Punkt, der in der Diskussion immer wieder auftaucht. Die Frage nach der Zukunft stellt die Sendung vielleicht falsch, wenn immer wieder das Wort „mehr“ auftaucht, wenn es um Entwicklungen geht. Im Endeffekt findet ein regressiver Blick statt, indem der Eindruck vermittelt wird, es habe eine Zeit gegeben in der alles so war, wie man es wieder haben will. Dieser Ansatz hat zwei Probleme: Erstens können Entwicklungen nicht zurückgedreht werden, weil Sie schon passiert sind und zweitens sind alle Vorstellungen von der Vergangenheit subjektiv und damit bis zu einem gewissen Grad konstruiert. Allein der immer wieder verwendete Begriff „Redemokratisierung“, schwierig.
Wo ich aber eine große Leerstelle in Molters Analyse sehe, sind die Vereine und Ultras selbst. Denn er versucht das System Fußball zu analysieren und nennt diese beiden Akteure als Teil des Systems, und stellt sie als mögliche (positive) Antipoden zum aktuellen Zustand dar. Aber er interessiert sich gar nicht dafür, welche Strukturen denn diese Akteure intern bedingen. So finde ich es sehr spannend, dass ein erklärter Marxist, die an sich bürgerliche Struktur des eingetragenen Vereins als Lösung für analysierte Herrschaftsprobleme sieht. Könnte der Zustand, dass Mitglieder in Vereinen nicht den Einfluss haben, den er sich wünscht, nicht der Struktur Verein inhärent sein? (Bsp.: Kritik an den Verbänden als solches, obwohl der DFB auch ein Verein ist)
Bei den Ultras finde ich es noch viel gravierender. Es werden Probleme angesprochen und dann wird gesagt, diese könnten überwunden werden, wenn man einen gemeinsamen Weg gehe. Die Frage, woher die angesprochenen Probleme innerhalb der Subkultur kommen und ob sie ihr nicht eben inhärent sind, wird nicht gestellt.
Generell klingt das so ein bisschen wie der SDS der späten 60er, der sich erhofft hat die Revolution mit den Industriearbeitern machen zu können, die aber leider zu dumm waren sich für ihre eigenen Belange zu interessieren. Also im Endeffekt doch die bürgerliche Erhebung über die ungebildeten Massen.
Interview 3
Ich finde das Interview mit Alina Schwermer hat schön gezeigt, wie unterkokmplex die Betrachtungen von Raphael Molter sind, viele der Probleme und Handlungsoptionen, die sie aufzeigt und in Frage stellt, stehen in sehr direktem Widerspruch zu dem was sich Molter in seinem Kopf sehr luftig und blumig vorstellt. Und das nur, weil er die ihm wichtigen Strukturen selbst nicht in Frage stellen möchte oder kann, z.B. analysiert sie präzise, dass Vereine (v.a. im Amatuerbereich Auschluss aus class-Gründen begünstigen.
Ich backe ihre Bitte aufzuhören über Zeit zu diskutieren strongly, wie oben gesagt, diese regressive Blick hilft nicht… ein bisschen Fanboy bin ich geworden, auch wenn ich an manchen Stellen Widerspruch habe:
Fußball sei durch die Weltgeschichte an vielen Orten immer gespielt worden?? srsly? Muss man sich vielleicht erstmal mit der Entstehungsgeschihte des organiserten Sports und des Fußballs im speziellen beschäftigen, bevor man sich mit den Wünschen die man an ihn richtet auseinadersetzt?
Frage: Wieso sollte ein Alien „rationaler“ agieren als wir Menschen? Was heißt den Rational? Und was sind die Gründe für diese als „nicht rational“ wahrgenommenen Verhaltensweisen?
Und dann noch die Leersstelle, die zwar geschnitten aber mir persönlich zu wenig thematisiert wurde. Was mein eigenes Verständnis gesellschaftlicher Strukturen und Ordnungen immer wieder übersteigt, ist die Ungeheuerlichkeit, dass die FIFA bestimmen kann wo und wie überall auf der Welt organisierter Fußball gespielt werden darf. Wenn wir eine Alternative versuchen zu denken, die keinen kapitalismuskritischen Gesellschaftsumschwung fordert, dann darf ein solches Monopol nicht sein. Wenn sich bspw. der DFB oder DFL in einer Konkurrenzsituation befände, könnten Hebel über Aufmerksamkeit et al. viel wirkungsvoller sein. Und welche Möglichkeiten hätten kleinere Zusammenschlüsse erst, wenn sie von den Verbandsstrukturen unabhängig agieren und sich untereinander organisieren könnten. Das ist so ein Gedanke, der mir immer mal kommt, den ich aber noch nie ganz zu Ende gedacht habe. Interessant fände ich eine Diskussion in diese Richtung aber dennoch, weil die Kritik auch systemisch ist, aber eben „fußballimanent“.
P.S.: Das Leistungsprinzip kann als überbelibsel der NS-Zeit gedeutet werden. Denn es ist eine der Grundannahmen der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft. Jeder kann, von seinem Stand und seiner Herkunft unabhängig alles erreichen wenn er nur tut, was die übergerodente Ideologie verlangt (und Platz für dich schaffen wir schon, keine Angst es gibt genug Menschen, die unserer Überzeugung nach nicht dazu gehören.) Wenig überraschend, dass die FDP ein schönes Auffangbecken für eine Menge überzeugter Nazis nach dem Krieg war.