Ein wenig Metaanalyse der Stimmung im Umfeld (wahrscheinlich interessanter als die Analyse des Spiels):
Die Fans sind momentan wie ein wilder Hühnerhaufen. In den sozialen Netzwerken schreit gefühlt jeder rum, dass der Trainer nicht der richtige sei und offensichtlich überfordert ist, als stünde man auf Platz 16 und nicht Platz 6. Als hätte man die größten Sorgen im deutschen Fußball, und nicht etwa Bayern, Köln, Hamburg oder Kaiserslautern. Und nun gab es sowohl in Köln als auch gegen Bochum Beschwerde von den Fans von den Tribünen.
Es ist natürlich durchaus kurios, dass man sich nun die größte Mühe gibt, Prime Schalke zu kopieren, nachdem man den Kader für einen Trainer komplett ausgerichtet hat, diesen dann nach einem halben Jahr auf Platz 6 zu entlassen und stattdessen dann so Namen wie Baumgart fordert, einfach weil auf dem Markt.
Ich glaube es gibt viele Gründe für die emotionale Verstimmung der Fans, und die hat wenig sportliche Ursachen, sondern müsste eigentlich auch mal von den Medien aufgefangen werden.
1. Aufbruch statt Umbruch
Der Umbruch im Sommer lief so gut, dass nun viele einfach denken, dass diese Glückssträhne immer weiter geht und man nun dann direkt im ersten Jahr nach dem man eigentlich alles ausgetauscht hat, was so da war, sich im Vergleich zu den vielen Jahren davor direkt verbessern müsste. Im letzten Sommer war die Sorge noch groß, dass das Kapitel der Erfolge nun vorbei ist, und man erstmal sich wieder vom Mittelfeld nach oben arbeiten müsste, einfach weil der Umbruch so groß war. Man war sich damals eben noch den sportlichen Rahmenbedingungen bewusst und stellte sich auf eine Zeit des trockenen Brotes ein. Aber der Umbruch wurde auch dank des Trainers so gut moderiert, dass man diese Befürchtungen schnell vergessen konnte.
Aber das ging dann soweit, dass man auch das Bewusstsein und die Demut für den Umbruch verloren hat und sich eingebildet hat, dass es jetzt immer so weiter geht. Viele haben sich eben in den Kopf gesetzt, dass man nun wie Leverkusen oder Stuttgart die Liga dominieren müsste, denn man ist ja Frankfurt und auch einen guten Kader. Klar, das stimmt, aber wir sind immer noch im ersten Trainerjahr und haben halt auch das erste halbe Jahr einfach nur irgendwie hinter uns gebracht, damit wir darauf aufbauend dann auch ein System spielen können, das auf einen vollständigen Kader bauen kann. Denn man hat eben ohne Schlüsselspieler im Sturm gespielt und auch mit einer Bank, die eigentlich nur durch wenig Einfluss aufs Spiel geglänzt hat, sobald sie eingewechselt wurde.
Jetzt ist der Kader komplett, und man hat auch ein paar namhafte Spieler im Winter holen können. Und daraus leiten viele nun ab, dass man direkt von einem Tag auf den anderen doch jetzt endlich dem eigenen Anspruch gerecht wird, und alle daher spielt. Dass diese Spieler aber allerdings auch alle nur in Frankfurt sind, weil sie eben nicht viel gespielt haben in der Vergangenheit und hier erst wieder fit werden müssen, das ist eine Realität, die viele erst so langsam verstehen. Der Hype war natürlich groß, aber er ist halt nur ein Hype.
Dieser Hype fand auch in den Medien statt, einfach weil man über die Winterpause gemerkt hat, dass erst Dortmund zu straucheln schien und die Eintracht mit einem kompletten Kader Druck auf sie ausüben könnte, dann Anfang des Jahres waren es Stuttgart und Leipzig, die Punkt ließen und entsprechend haben viele den Eindruck vermittelt, dass wenn Frankfurt es nicht schafft, sich einen von diesen zu schnappen, dann ist das ein Misserfolg.
Entsprechend dieser Wahrnehmung hat das Frankfurter Umfeld das Gefühl einer FOMO, sie könnten eine Chance verpassen, die sich ihnen auftut, und diese drückt sich in Panik und irrationalen Vorstellungen aus, dass durch Druck und Veränderung, diese Vorstellung irgendwie Realität bekommen würde, wohingegen ein Trainerwechsel ziemlich sicher, viel mehr Schaden herbeiführt als schnelle Besserung per Handauflegen.
2. Der Spielstil sei nicht mehr Frankfurt-like
Natürlich war es in Frankfurt lange wichtig, dass der Fußball die Ränge mitnimmt und dadurch eben Größeres entstehen kann. Und momentan tut er das sicher nicht, und das merkt man. Aber so ist eben die Zeit des trockenen Brotes, die Umstellung von RB-Überfallfußball auf Ballbesitzfußball mit schlauen Taktwechseln zur richtigen Zeit geht nun mal erstmal darüber, den Ball zu halten, bis sich die richtigen Situationen eröffnen. Dass man diese jetzt dann nicht immer richtig ausspielt und dann viel sinnlosen Ballbesitz in eigenen Reihen hat, ist normal, schaut doch einfach mal nach Gladbach unter Farke, dort war dieser Umbruch viel schlimmer. Jede Veränderung von einem stabilen System zu einem anderen hat eben einen Übergangszustand, der weniger schön anzuschauen ist und man muss analog zu einer chemischen Reaktion Aktivierungsenergie zahlen, um diese Barriere zu überkommen.
Und ich glaube es ist zu kurz gegriffen, dass man sagt, dass der alte Fußball die meckernden Eintrachtfans abholen würde. Denn dieser Fußball beinhaltete auch immer noch viele Ausrutscher und dann würde man sich halt beschweren, dass man 3-0 gegen Bochum auswärts verliert, weil man einfach immer noch verdammt leichte Tore fängt, statt mal auf Stabilität zu achten. Am Ende ist es einfach der Erfolg, der die Leute begeistert und egal was man ihnen anbietet, wenn es nicht ein komplettes, dominantes, fehlerfreies Spielsystem wäre, dann würde man dennoch meckern, wieso sich denn nie was ändert.
Natürlich muss sich Toppmöller weiterentwickeln und auch eine offensive Spielidee implementieren, aber jetzt musste er eben erstmal darauf warten bis der Kader komplett ist und der Afrikacup, als nachweislich drei Schlüsselspieler gefehlt haben, vorbei ist. Jetzt erst besteht auch die Möglichkeit, dass man mit Chaibi, Marmoush und Kalajdzic auch in der Offensive es schafft, Ball- und Passsicherheit mit einer gewissen Dynamik und sicherem Torabschluss zu kombineren, die standen so natürlich noch nicht zusammen auf dem Platz. Dass er damit schon plant, hat man eigentlich schon ganz gut gesehen, denn er ließ trotz Fehlen von Kalajdzic die Spieler knallhart Flanken üben, damit sie darauf eingestellt sind, wenn Kalajdzic vorne dabei ist, dann auch dieses Element einbringen zu können. Ich denke schon, dass wenn das System klick macht, dann ist es auch wieder egal, was die paar Wochen Übergangszeit passiert ist. Man muss halt auch mal vergessen können, dass man im Übergang halt nicht auch noch alle Punkte gegen alle Gegner holen kann und die Saison schon mit dem Sommer vordefiniert war.
3. Emotionale Entfremdung
Aber es gibt auch Gründe, die gar nicht auf dem Platz stattfinden. Die Eintracht muss sich generell auf viele Abschiede einstellen dieser Tage. Da geht nach 24 Jahren eine wichtige Konstante der Eintracht in Peter Fischer, der wie wenige andere für die emotionale Verbindung von Geschäft und Fans gestanden hat, das führt zwangsläufig zu einer gewissen Lücke. Ebenso ist eben Toppmöller nicht dieser Heißsporn wie ein Glasner, mit dem man sich als Fan sehr gut identifizieren kann, sondern eben eher ruhiger und bedächtiger. Da sehnen sich manche wohl lieber wieder Ausraster auf PKs herbei, statt dass jemand nüchtern einfach das Spiel analysiert auf der PK, was dann als ständiges Schönreden und sich wiederholen interpretiert wird. Aber auch ist es so, dass es momentan auch immer weniger Spieler gibt, die den Fans Identifikation geben kann. Das kommt zwangsläufig daher, dass man eben viele Spieler nicht mehr lange hält und dann die meisten nach zwei Jahren weg sind, weil zu gut oder nicht gut genug. Und dann gibt es halt nicht mehr so Typen, an denen man sich aufrichten kann. Und dass liegt natürlich auch, nicht nur, an Krösche, der in dieser ostwestfälischen Gelassenheit, einfach knallhart sein Ding durchzieht und wenig Raum für Emotionalität lässt, sondern eben dann sich einen ruhigeren Typen Toppmöller statt dem aufbrodelnden Vulkan Glasner zur Seite stellt und auch Spieler ohne Rücksicht auf das Fanherz gehen lässt. Es ist auch kein Wunder, dass die Fans sich über eine technokratische RB-isierung beschweren, die diese Entwicklung vom familären Verein zum professionellen Fußballunternehmen wohl zusammenfassen soll.
4. Fazit
Es ändert sich eben viel momentan, aber gleichzeitig soll der Erfolg dann wenigstens als Konstante beibehalten werden, und das führt dann auch zu überhöhten Erwartungen und Anforderungen. Denn wenn schon sich alles ändert, dann doch bitte zum Besseren und zwar so schnell wie möglich.
5. Edit:
Ich denke auch, dass das Hauptfeld der Eintracht und zwar die Pokale nicht so gut laufen und auch nicht so emotional ergreifend sind (Conference League) auch zur emotionalen Leere im Fanherz beitragen. Aber ist halt auch normal, dass man nicht jeden Pokalwettbewerb bis ins Finale rockt, aber die Ansprüche sind halt nicht mehr normal…