Welche Vereine haben 2024 noch eine Identität und wie sieht sie aus?

Tag 1 nach dem Klopp Beben.

Mich hat das sehr getroffen, das wird niemanden überraschen :wink:.
Aber überwiegend aus ganz anderen Gründen, wie sie die meisten jetzt äußern.

Klopp heuert bei einem Konzern an, der durch die Red Bull Media Group maßgeblich dazu beigetragen hat, dem europäischen Rechtsruck eine Stimme zu geben. Das nehme ich ihm persönlich übel.

Viel los auch im Forum zu dieser Personalie.
Was mir auffällt, sind die Posts zum Thema Identität des BVB.
Grundtenor ist ja, der Verein verlor seine, sucht eine neue oder verstrickt sich in sentimentale Rückhol-Aktionen, um über Nostalgie wieder erfolgreich zu werden.
Ich verstehe den Ansatz und sehe es als den beinahe verzweifelten Versuch, Herz und Gefühl im Fussball-Business zurückzuholen.

Was ich mich aber frage, was ist denn die Identität eines Vereines 2024 ?

Welcher Verein in den ersten beiden Ligen hat eine erkennbare und wie sieht die aus? Oder sind diese überwiegend scheinbar und Lippenbekenntnisse, die sofort in die Tonne gekloppt ( :grimacing: ) werden, wenn Werte und Integrität dem sportlichen oder finanziellen Erfolg entgegen stehen ?

Jüngstes Beispiel Kevin Behrens. Er spielt für einen Verein, der schon länger bei beiden Profi Teams mit der Regenbogen-Binde aufläuft. Er äußert sich nun bei einem offiziellen Termin des Vereins offen homophob und die einzige Reaktion des Vereins besteht aus einem WischiWaschi Statement, mit dem Hinweis auf ein Gespräch über Werte und einer halbgaren Entschuldigung des Spielers. Die Liste ließe sich beliebig fortführen, Nmecha, Hollerbach, Karazor, Weghorst…

Mich würde sehr eure Meinung interessieren, die ihr euch einem oder gar mehreren Vereinen besonders verbunden fühlt.

Seht ihr Identitäten und schätzt diese oder spielen die keine Rolle und werden eigentlich überbewertet ?

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  1. Erstmal vielen dank für deine Worte zu Klopp und die Eröffnung diese Threads. Ich bin froh, dass ich anscheinend nicht die einzige Person in diesem Forum bin, die von Klopps Wechsel völlig kalt überrascht wurde und es emotional getriggert hat. Mich nervt dann erhlichgesagt dann so eine „Warum bist du denn so überrascht? War doch abzusehen. Warum warst Du denn von Klopp so geblendet?“-Antwort. Egal auch so eine Art damit umzugehen ist vollkomen legitim. Ich verstehe auch wie man zu solchen Haltungen kommt.

  2. Nunja eine Identität finde ich schwer greifbar und findet für mich viel auf der emotionalen Ebene statt, weniger auf der rationalen. Und wie das mit Emotionen so ist, sind sie manchmal schwer in Worte zu fassen. Ich weiß zum Beispiel ehrlichgesagt nicht so ganz wofür mein Verein, der 1. FC Köln singulär steht. Klar für soziales Engagement, Diversität und Vielfalt. Aber dafür stehen gefühlt (zumindest auf dem Papier) auch alle anderen erste und zweite Liga Vereine. Es ist wie man in Köln sagt „et Jeföhl“. Also ein Gefühl, dass ich schwer in Worte fassen kann. Liebe ist halt irrational. Und in das was Du Dich verliebst, da kannst Du nicht immer sagen warum. Mein Verein hat das Motto „Spürbar Anders“. Das finde ich gar nicht so schlecht. Weil hätte mein Verein so ein neues Motto wie „Echte Liebe“ (BVB) oder „Wir leben Dich“ (Schalke), wäre ich echt sauer und würde denken „Sag Mal Marketingabteilung, wollt Ihr mich eigentlich verarschen?“ Aber trotzdem war die Herangehensweise an das Motto falsch. So etwas sollte nicht sich eine Marketingabteilung oder externe Marketingfirma ausdenken, sondern so etwas muss meiner Meinung nach in einer Fanabstimmung passieren. Meinetwegen haben dann Dauerkarteninhaber 3 Stimmen, Mitglieder 2 und der Rest eine Stimme. Müsste dann halt im Onlinevoting irgendwie geregelt werden, dass jeder nur einmal abstimmen kann. Oder es gäbe auch Argumente, dass jeder nur eine Stimme hab. Was jedoch für mich auf jeden Fall auch Teil unserer Identität ist, ist die Fankultur, die unglaubliche Stimmung im Stadion und die Wucht dieses Vereins. Der 1. FC Köln ist mit 140.000 Mitgliedern auf Platz 10 der mitgliederstärksten Vereine der ganzen WELT, nicht in Deutschland.
    Liste der mitgliederstärksten Sportvereine – Wikipedia

Außerdem hat der 1.FC Köln Fanclubs auf JEDEM Kontinent, außer Arktis und Antarktis. Ich hatte mal das PDF-Dokument mit der Liste der Auslandsfanclubs aber das finde ich spontan nicht wieder.

  1. Warum ich auch Schwierigkeiten habe in Worte zu fassen, was die Identität des 1.FC Kölns ist, ist weil ich mich die letzten Jahre extrem von unserem Vorstand entfremdet habe. Der Vorstand verfolgt eine Strategie der Minimalkommunikation und wenn sie mal irgendwas machen wie zuletzt 3 offiziele Podcasts dann nur reaktiv. Teilweise hat man wirklich das Gefühl sie „tauchen ab“.
    Auch scheinen sie nicht so demokratiefreundlich zu sein (manchmal habe ich das Gefühl sie haben sogar Angst vor der Vereinsdemokratie), sie wollten ja z.B. die Redezeit der Wortbeiträge auf der Mitgliederversammlung verkürzen und auch die offiziellen Kandidaten zu Mitgliederrat hat man auf der Website des Vereins nur sehr versteckt gefunden. Auch scheinen bei diesem Vorstand, insbesondere bei Präsident Werner Wolf immer die anderen Schuld zu sein. Ich nehme bei ihm keine echte Kritikfähigkeit war. Gerne sind es auchmal die bösen Medien Schuld.

  2. Wahrscheinlich ist heutzutage ein „Leitbild“ zeitgemäß und unverzichtbahr. Aber meine unpopular opinion ist, dass ich es tatsächlich nicht zwingend bräuchte. Ein Leitbild bringt gar nichts, wenn man nicht danach handelt. Action speaks louder than words. Ich messe Leute und Organisationen nach ihren Taten und nur sehr wenig nach ihren Worten. Mir wäre es viel lieber, dass der BVB kein Leitbild hätte und mit Taten vorrangeht, stattdessen er meiner Meinung nach eins hat und mit seinen Taten dagegen verstößt.

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Achja und danke, dass Du das mit der Red Bull Media Group erwähnst. Servus TV scheint ja auch nach Matteschitz Tod weiterhin einen rechtspopulistischen Kurs zu verfolgen.

Dieser Aspekt, den ich auch bisher nicht in Medienkommentaren zu Klopp gefunden habe, macht das ganze Engagement für mich unmoralisch.

Gäbe es das nicht hätte man ja auch argumentieren können „Klopps Entscheidung finde ich zwar scheiße, ist aber seine freie Entscheidung die zu respektieren ist“.

Übrigens, wenn ich nichts übersehen habe, gibt es in Österreich die Youtube-Highlights der EM 2024 nur auf Servus TV und nicht auf ORF. Das finde ich schon etwas merkwürdig.

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Finde das thema auch wahnsinnig spannend und freue mich auf weitere Perspektiven zu dem Thema, weil das glaube im modernen Profifußball eine große Thematik ist, die aber meist im schatten bleibt.

(Disclaimer für einen sehr verbitterten Absatz über Profifußball)
Ich persönlich gehöre zu der Gruppe von Leuten, die aus Verbitterung oder Zynismus gegenüber dem Fußballgeschäft echt überrascht davon sind, dass der klopp wechsel anscheinend so viele leute überrumpelt. Ich möchte mich damit aber auf keinen fall über diese leute stellen, sondern bin ehrlicherweise neidisch darauf, dass sie sich ihre Liebe zum Fußball weiter bewahren konnten, während meine mittlerweile kaum mehr vorhanden ist. Mein Zynismus geht aber auch so weit, dass ich keinen unterschied zwischen Elversberg, köln, st. Pauli, newcastle, bayern, psg, city oder RB sehe. Das sind alles Dienstleistungsunternehmen die das unterhaltungsprodukt Profifußball anbieten. In dem sinne sehe ich zumindest im Profifußball auch bei keinem Klub eine wirkliche Identität, die auch gelebt wird. Wenn gedacht wird es hilft, wird eben trotzdem ein spieler geholt, der sich homo oder transfeindlich äußert auch wenn der Klub eigentlich mit regenbogenbinde aufläuft (nmecha beim bvb oder behrens jetzt in wob als beispiel). Einer der gründe weshalb ich auch seit jahren keinen Profifußball der männer mehr schaue sondern die sportpolitischen entscheidungen verfolge.

Wo ich aber die Identitätsfrage spannend finde ist, dass hinter vielen dieser Profifußballunternehmen ja noch vereine stehen (mal mehr mal weniger verknüpft mit dem Unternehmen), die wiederum eine Identität füllen wollen. Hier ist glaube die spannende frage in Zukunft wie stark man den verein borussia Dortmund mit dem Unternehmen borussia Dortmund verbindet oder ob es da ähnlich wie im amerikanischen sportsystem zu einer abspaltung kommt.

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Ich glaube, dass man zunächst - bis auf die wenigen Ausnahmen, die wirklich noch als e. V. am Profifußball teilnehmen - zwischen Verein und Kapitalgesellschaft trennen muss. Der Verein als solcher umfasst ja regelmäßig mehr Sportarten als nur den Fußball. Und so gibt es vielleicht in einer Tennis- oder Leichtathletikabteilung eines e. V. ein sehr lebhaftes Vereinsleben, das aber niemand kennt, den e. V. aber nach innen sehr viel mehr prägt als der ausgelagerte Profifußball.

Die Identität wird daher für mich eher über handelnde Köpfe geprägt. Also z. B. über Charisma des Trainers oder des Sportdirektors (obwohl diese regelmäßig mit dem e. V. als Gesamtheit nichts bis nur wenig zu tun haben). Das macht es aber auch so schwierig. Ist ein prägender Charakterkopf weg, muss Ersatz gefunden werden, was sehr schwierig sein kann. Ansonsten steht man sehr schnell quasi gesichts- und identitätslos da.

Und für den Begriff „Identität“ genügt es mir auch nicht, sich z. B. als Ausbildungsclub zu positionieren. Dies erfolgt ja vor allem, weil es die Realität vorgibt, dass die günstige Verpflichtung und teure Abgabe von Spielern der Wirtschaftlichkeit nützt. Wäre die Frage, ob z. B. Freiburg nicht anders handeln würde, wenn man größere finanzielle Mittel zur Verfügung hätte. Wäre das Heranführen von Spielern aus der Jugend dann immer noch so relevant?

Vielleicht ist Identität auch einfach eine Projektionsfläche, ist das, was sich Mitglieder und/oder Fans wünschen/erhoffen. Eben dieses schwer in Worte zu fassende Gefühl.

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Das ist als Motto ziemlich nah am „Aus Tradition anders“, das man sich hier in Darmstadt vor ein paar Jahren als Motto gegeben hat. Mein Eindruck ist, dass man sich gerade so ein Motto in den Moment gibt, in dem man eigentlich gar nicht mehr so viel anders als die anderen ist. Sonst müsste man das ja nicht so betonen.
Ich könnte von außen jetzt nicht sagen, worin Köln „Spürbar anders“ ist, als zum Beispiel Dortmund, St. Pauli oder Union.

In Darmstadt hat man inzwischen ja auch nicht mehr das Unterscheidungsmerkmal mit dem alten Stadion, was dazugehörte als man das „Aus Tradition anders“ geprägt hat.
Am ehesten würde ich hier zur Identität so Dinge zählen, wie die Rettung durch die Fans in der Insolvenz 2008, die sowohl Fans als auch die (zum großen Teil seitdem) handelnden Personen im Präsidium geprägt hat. Dass unter dem Konsens den Verein bitte mehr so zu gefährden und nicht mehr Geld auszugeben als man hat der sportliche Erfolg mit den Weg aus der Oberliga bis zurück in die Bundesliga und die Etablierung in Liga 2 gelungen ist, gehört sicher irgendwie zur Identität des Vereins. Allerdings wurde diese Identität durch die schlechten Erfahrungen der letzten Saison auch erstmal sehr vielen Jahren von manchen Leuten Stimmen im Umfeld hinterfragt („Warum hat man nicht mehr Geld in den Kader gesteckt?“) und es ist aus meiner Sicht noch nicht eindeutig, wenn auch recht wahrscheinlich, dass dieses „Wir wissen wo wir gekommen“ auch die nächsten zehn Jahre die Identität des Vereins prägen wird.

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Das schreibe ich ja auch in meinem Post, dass ich nicht weiß wofür mein Verein singulär alleine steht. Ich meinte damit, dass ich das Motto etwas „kreativer“ finde als Z.B. „Echte Liebe“.
Aber das „spüren“ läuft auch auf der emotionalen Ebene ab. Ich werde auch ab und zu von Personen, die neu nach Köln kommen gefragt, was so geil am 1.FC Köln ist und warum ich ins Stadion gehe. Da sage ich dann „musst Du halt mal selbst erleben die Stimmung dort kann, ich dir schwer beschreiben, bist herzlich eingeladen mit mir mal mitzukommen“

Aber wenn ich dein Post lese, scheint das Motto ja dann doch nicht mehr so kreativ zu sein, wenn auch andere Vereine da drauf kommen :sweat_smile:.

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Das hatte ich mir erhofft, verschiedene Ansätze bei der Identitätssuche. Danke dafür, finde ich super spannend.

Geht mir genauso, zumal es gefühlt ein paar zu viele sind :wink: Natürlich gab es Kritiker, aber das Verhältnis zu den jetzt Selbstzufriedenen stimmt nicht ganz.

Genau das!

Ich bin hier und vor allem auch im inoffiziellen Rasenfunk Discord mit vielen Fans unterschiedlicher Vereine im Austausch und es herrscht eine solche Vielfalt, dass ich mich frage, ob es eine Schnittmenge gibt und wie groß diese ist.

Absolut richtig.

Das wird spannend zu sehen, denn mittlerweile hat ja Freiburg die entsprechenden Mittel. Bleiben sie auf ihrem Weg oder wecken die vollen Kassen jetzt Begehrlichkeiten um jährlich international zu spielen, was man ja letzte Saison verpasst hat.

Deshalb mag ich sehr, wie jetzt hier versucht wird, es doch in Worte zu fassen.

Meine pesönliche These ist, dass es dieses Herz und Gefühl im Fußball-Business gar nicht gibt, sondern Großteils eine Projektion auf ein „Früher war alles Besser“ gefühl. Es gibt das nur in kleinen Minipunkten bei Vereinen (z.B. Darmstadt mit Jonathan Heimes), aber ansonsten im breiten Business nicht.

Sehr schwierig zu beantworten in der heutigen Zeit, da diese krassen Standesunterschiede aus der Gründungszeiten der Vereine nicht mehr existieren (zum Glück). Ob Arbeiterverein, Bürgerlicher Verein, Katholischer oder Protestantischer Verein, dass hat sich heute durch die Nivelierung der Gesellschaft ja großteils aufgehoben, sodass selbst CDU und FDP Politiker zu „Arbeitervereinen“ gehen dürfen. Identitäten beziehen sich heute eher auf Grundwerte, und da ja gefühlt alle Vereine sich auf die gleichen Werte beziehen, fällt da ja gefühlt ein Unterscheidungsmerkmal weg. Und eine regionale Identität fällt ja auch spätenstens Weg, wenn man Fanclubs in Patagonien und Australien hat.

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„Spürbar anders“ oder ähnliches sind für mich maximal generische Marketing-Blubberphrasen. Was seid ihr? - Anders - Aber wie genau? - Pfff, keine Ahnung, Anders halt.
Ein verzweifelter Versuch, sich über die Behauptung, anders zu sein, abzusetzen, aber keine klare Aussage. Alleine durch Standort, Namen und Geschichte ist jeder Verein einzigartig.
Nur wenige dieser Marketing-Mottos finde ich transportieren wirklich etwas. Witzigerweise fällt für mich ausgerechnet das „Mia san Mia“ darunter, das als Identität neben dem bayerischen Standort auch ein leicht überhebliches, selbstbewusstes und zeitloses Selbstverständnis transportiert.

Auch dieses Zurückberufen auf Dinge wie „Arbeiterverein“ ist für mich - pardon - romantisierender, überkommener Käse. Unsere Gesellschaft ist heute viel zu heterogen, um solche klaren Festschreibungen festzugeben. Man kann und sollte das höchstens auf die Vergangenheit beziehen a la „unsere Wurzeln sind es, ein Arbeiterverein zu sein“

Womit ich Vereine also identifiziere, unterscheidet sich je nach Verein. Bei manchen wie St.Pauli ist es tatsächlich (egal wie „echt“ oder nicht) das Image des Außenseiterclubs. Bei anderen ist es eine historische Identität wie „Wurzel als Werksverein“, „gefallener Riese“, „Chaosclub“, „Depp“, …
Und wiederum bei anderen ist es ein bestimmter Spielstil, der die Identität dominiert - zumindest als Wunschbild, das die Mannschaft zugegeben nicht immer umsetzt. Mit Dortmund oder Liverpool verbinde ich einen intensiven, emotionalen Fußball. Mit Barcelona dieses Ballgeschiebe. Mit Schalke Kampf und sich Reinhängen.
Und ganz andere dagegen stehen bei mir für nichts und sind austauschbar

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Ich habe nochmal nachgedacht. Dem einzigen Team (keine Ahnung, wie man in Spanien organisiert ist), dem ich eine wirkliche Identität zufällige, ist Bilbao. Dieser Bezug zum Baskenland ist doch sehr einzigartig.

Ansonsten handelt es sich doch nur um Werbespruch, um Bedürfnisse zu bedienen. Und Identität auf den Spielstil bezogen: Man sieht doch, wie schnell sich das ändern kann.

Hat für mich auch persönlich den Vorteil, dass ich mit Leipzig keine Schwierigkeiten habe. Profifußball ist Geschäft und ohne Gönner/Sponsoren/Eigentümer/Investoren kommt heutzutage niemand nach oben. Aber hey, diese Spielregeln hat nicht Leipzig zu verantworten.

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Da sich Petras Ursprungspost auf mich bezieht, habe ich mir zu dem Thema auch meine Gedanken gemacht. Und ich finde, es ist am Besten, es einfach so generell wie möglich zu halten, einfach weil ich das Gefühl habe, dass die Frage generell ist und man sich bei konkretem „Der Verein hat das, der Verein nicht“ nur in Streitigkeiten über Details wiederfindet, die von der Ausgangsfrage ablenken. Denn natürlicherweise ist die Wahrnehmung unterschiedlicher Menschen mit unterschiedlicher Nähe zum Verein ganz anders. Aber ich denke man kann auch versuchen, die Frage relativ unabhängig von exakten Beispielen zu beantworten.

Also, wenn wir über Identität reden, dann gibt es hier mehrere Facetten. Identität heißt ja an sich

  • „Der Verein ist…“
  • „Der Verein steht für…“
  • „Dem Verein ist wichtig, dass…“
  • „Wenn ich an den Verein denke, dann…“
  • und beliebig mehr.

Und da gibt es zwei generelle Perspektiven. Einmal die Selbstsicht von innen und das Bewusstsein, für was und welche gemeinschaftliche Aufgabe, man sich persönlich als Teil des Ganzen eigentlich engagiert. Und das geht ja vom Ehrenamtlevel hoch zum den Vorständen, an sich wird ja jeder wissen wollen, warum man das ganze macht. Und hier sieht man ja schon, dass das natürlich auch sehr unterschiedliche Ausmaße annehmen kann, weil jemand ja aus ganz anderen Gründen in seiner Freizeit eine Jugendmannschaft trainiert, als jemand die Gesamtverantwortung für den Jahresabschluss übernimmt. Sehr schwer das wirklich persönlich auseinander zu dröseln, weil wenn man ganz nah an den Verein heranzoomt, wird es immer komplexer und individueller.

Und dann gibt es noch die Außensicht durch Fans, nicht-aktive Mitglieder und die Medien. Jetzt kann man sich fragen, warum suchen Fans nach einer Identität im Verein. Weil auch sie wissen wollen, wo sie dran sind. Man ist ja dann doch in einer relativ großen emotionalen Verbindung zu einem Verein, und möchte einfach auch wissen, was das ist und was einen erwartet, denn sonst wird es auch zu einer sehr abstrakten Liebe. Und um Liebe für eine große Gruppe an Menschen zu empfinden, braucht man eben auch etwas, was all diese Menschen hinter dem Verein vereint und für mehr steht als ob nun die eine Fußballmannschaft, die gerade für den Verein antritt, Erfolg hat oder nicht. Ansonsten würden Fans ja nicht auch im Falle des Misserfolgs ihrem Verein gegenüber weiterhin zur Seite stehen wollen als Zeichen, dass man es mit der Treue und Liebe ernst meint. Und eine Identität ist dann auch eine Art Versprechen für die Fans, die diesen Bund fürs Leben eingehen, und eine Versicherung, dass gewisse Dinge nicht passieren können. Hier kann der Verein eben durch eine einheitliche Kommunikation, wo entsprechend nicht nur Worte sondern auch Taten sprechen, relativ schnell ein einheitlicheres Bild einer Identität zu schaffen. Auf dieses will ich mich im Folgenden vor allem konzentrieren.

Aber was ist „der Verein“ überhaupt? An sich gibt es ja wie erwähnt mehrere Aspekte des Vereins, die alle unter dem gleichen Namen laufen. Ich würde es in drei Aspekte unterteilen.

  1. Der e.V. als politisch-soziale Instanz
  2. Die geschäftlich-sportliche Führungsebene als finanzielle Instanz
  3. Die Mannschaft und das Trainerteam als sportlich-menschliche Instanz

Die drei Aspekte gehen dabei natürlich Hand in Hand, aber haben dennoch ihre eigene Aufgaben, dafür zu sorgen, dass der Fan eine gewisse Art der Identifikation verspürt. Sie bieten auch ihre Art der Teilhabe für Fans an, und natürlich schafft diese aktive Partizipation nochmal mehr Verbundenheit zum Verein als eine reine passive Rolle.

Fangen wir mit dem e.V. an. Dieser ist der Ausgangspunkt jeglicher gemeinschaftlicher Aktivität sowohl im Breitensport als auch im Profisport. Und es geht hier nicht nur um die Gestaltung der gemeinsamen Freizeit, sondern wenn man mehrere Zehntausend Mitglieder ist, dann ist man automatisch eine gesellschaftliche Instanz, die nicht nur die eigenen Belange prägt, sondern eben zumindest auch einen Teilaspekt des gesellschaftlichen Beisammenseins. Entsprechend ist es sicherlich für Fan der höchst-spielenden Fußballmannschaft hier wichtig, dass der Verein für den alles überspannenden Werte-Rahmen sorgt. Dieser soll idealerweise so unerschütterlich fest- und umgesetzt werden, dass er eine Art Ewigkeitsgarantie in der Satzung des Vereins hat. Und eigentlich kann der Verein als Repräsentant der Mitglieder-Mitbestimmung gar nicht anders als demokratische-gesellschaftliche Werte zu vertreten und muss da auch genügend Macht haben, diese durchzusetzen. Denn sie sollten eben wegen der gesellschaftlichen Rolle des e.V.s und vor dem Respekt der Mitglieder dafür sorgen, dass diese Dinge in allen Ausprägungsformen des Vereins gelebt werden. Durch die direkte politische und sozial-verantwortliche Involvierung der Mitglieder haben die Personen eine bessere Identifikation zum Verein.

Zweitens der geschäftlich-sportlichen Aspekt, denn ohne finanziellen und sportlichen Erfolg ist es unmöglich, mit Konkurrenten mitzuhalten. Hier geht es vor allem um die sogenannte „gute Arbeit“, die man wertschätzen kann. Aber an sich ist der Fan ja nun Fan eines Vereins und niemand wird sich in einen Verein verlieben, weil er so gute finanzielle Zahlen hat. Aber andererseits kann keine Mannschaft lange oben mitspielen, ohne diese finanzielle Grundlage. Hier legt man die Grundlage für eine relativ lange Zeit des Erfolgs und damit auch der Aufmerksamkeit, die einem in der Gesellschaft zuteil wird, um die eigenen Werte zu repräsentieren. Ein klassisches Dilemma. Jedoch gibt es allerdings unterschiedliche Dinge, wie man diesen finanziellen Rahmen schaffen kann. Man kann das Geld auch rein aus dem Geldbeutel von einzelnen Akteuren erlangen, die das Projekt als Möglichkeit der Wertsteigerung ihres Investments sehen. Oder man kann die Finanzierung des Projekts als gemeinschaftliche Aufgabe interpretieren und durch die Breite Masse der Fans, die alle gerne auch ihren finanziellen und nicht nur sozialen Beitrag leisten wollen, finanzieren. Aber man muss die Fans auch dann für ihren Einsatz für das gemeinschaftliche Projekt respektieren und sehen, dass bei vielen die Identifikation mit dem Verein so groß ist, dass sie erhebliche Teile ihres Grundeinkommens dafür nutzen, den Verein zu unterstützen. Auch Sponsoren und TV-Partner geben nur ihr Geld, um es von den Fans wieder zurück zu bekommen. Ein Verein ist eben keine Waschmaschinen-Marke und Fans sind keine Kunden oder Aktionäre, denn man kann im Vereinswesen auch nicht verlangen, dass man gewisse Gegenleistungen gesichert zurückbekommt und die Leistungen kommen vor allem aus Treue und Identifikation.

Und es gibt eben noch den sportlich-spielerischen und mannschaftlichen Aspekt. Denn man feuert ja dann im Stadion nicht nur die abstrakte Idee des Vereins oder ihre Geschäftsführer an, sondern auch immer eine Mannschaft und ihre Charaktere an. Und für nichts ist der Weg ins menschliche Herz so offen, wie andere Menschen. Wir schauen ja auch Sport, weil wir Lust auf Charaktere haben, denen wir sportlich Erfolg wünschen und an deren Erfolgen wir gerne teilhaben wollen. Und es ist ja auch motivierend und inspirierend, zu sehen, dass jemandes Einsatz sich gelohnt hat. Dazu hat man bei Mannschaftssport dann auch noch direkt die Momente, dass Spieler zusammen Spaß haben können, sich gemeinsam freuen können und für einander arbeiten können. Das ist ja etwas, was im normalen Alltag eher weniger passiert und dann so einen Zauber der Emotionen schafft. Wenn man sich gar nicht für die Spieler und deren Mannschaftschemie interessieren würde, dann wäre es auf jeden Fall ein anderes Spiel und man würde eben weniger intensiv auch teilhaben wollen, sie aktiv zu Höchstleistungen zu pushen.

Es gibt noch weitere Faktoren, die ich aber als weniger wichtig erachte. Einerseits gibt es Mannschaften und Vereine, die sich über einen Spielstil definieren und nur wenn das erfüllt ist, dann ist es richtig. Ich selbst denke einfach nicht, dass das Fans so wichtig ist und dass sich der Fußball eh immer weiterentwickelt, dass man eine Vereins-DNA eh nie durchziehen kann. Und natürlich spielt auch eine Rolle, mit welchen anderen Fans man Fußball schaut. Und so eine echte soziale Interaktion im Kontext des Vereins ergibt natürlich auch eine Erweiterung der Identifikation mit dem Verein, aber das ist auch eher indirekt.

Also zusammenfassend, ja ich denke es gibt Identifikation mit dem Verein. Denn wenn der Verein komplett orthogonal zu einem selbst wäre und wir nichts von uns darin finden würden, dann wäre man kein Fan. Und dabei ist Erfolg gar nicht so wichtig, ansonsten wären Duisburg-Fans nicht auch in der Regionalliga West weiterhin am Start. Es ist halt mehr als ein Unterhaltungsprodukt, sondern eine Gemeinschaft, die man sucht, die versucht unter sozialer Verantwortung mit vernünftigen Charakteren auf und neben dem Platz so viel Erfolg zu haben, wie es eben möglich ist. Es war früher eine vereinsgeführte Mannschaft von Freunden, die alles für einander gegeben haben und das kann auch mit mehr Professionalisierung im geschäftlichen Bereich immer noch der Fall sein. Es ist zwar schwieriger, aber für mich nachhaltiger auch auf Charaktere und Werte zu achten und nicht nur auf die Zahlen. Man sollte eben einfach weiterhin die Natur des Vereins und seiner Fans respektieren, ansonsten macht man irgendwann Sport für die Galerie, aber nicht für die Menschen dahinter, die aus ihrer Identifikation das alles finanzieren.

Und ich denke, die Identifikation leidet entsprechend auch, wenn man anfängt, nur noch die geschäftliche Seite des Sports hervorzuheben, und der e.V. selbst taucht immer weniger und man hat das Gefühl, der Verein ist nur noch der Geschäftsführer und sein Erfolg. Und entsprechend gibt es auch kein Gegenwind, wenn die Abteilung argumentiert, man muss nun zur Maximierung des scheinbaren Erfolgs gewisse Werte des Vereins ignorieren. Oder man holt Spieler, die vom Charakter her wenig in ein Mannschaftsgefüge passen und mit denen die Fans wenig mitfiebern können, aber man erhofft sich einfach, dass sie mit ihrem reinen Individualtalent den sportlichen Erfolg maximieren können. Aber wenn man dann alles nur auf den Erfolg auf dem Papier setzt, dann muss dieser auch kommen, ansonsten weiß bald niemand mehr, warum man sich das Ganze antut und könnte sich selbst im Falle des Erfolgs nicht mehr so freuen wie früher.

Edit: Btw hier ging es mir nie darum, dass ein Verein ein Alleinstellungsmerkmal haben muss, denn das ist Identität nicht für mich. Von mir aus kann sich jeder Verein so verhalten wie es das Richtige ist, und dann macht am Ende halt aus, bei welchem Verein man zuerst angebissen hat, denn ein USP braucht man nicht wirklich, wenn die Bindungskraft eh so groß ist, dass man eh nicht loslassen kann. Aber diese Bindungskraft muss halt existieren, ansonsten sucht man sich andere Leidenschaften im Leben.

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Gestern Abend war ja MV des SC Freiburg, die Zahlen sind genau so, dass an jedem anderen Standort nun das Geld mit beiden Händen aus dem Fenster geworfen werden würde, beim SC werden nun erst einmal 9 bis 10 Mio. Euro in das alte Dreisamstadion gesteckt, um dort die Frauen- und Mädchen-Mannschaften zu konzentrieren und das Stadion quasi zum Vereinsheim umzubauen.

Den größten Beifall gab es, als Leki, der Finanzvorstand, Saier, den Sportvorstand mit den Worten zitierte: »Wir sind unser eigener Investor«. In diesem Verein ist auf absehbare Zeit keine Mehrheit damit zu gewinnen »ins Risiko« zu gehen, um sportliche Erfolge zu erzwingen. Es ist mit einer solchen Strategie vermutlich nicht einmal eine laute Minderheit zu mobilisieren.

Die Mitgliederumfrage im Sommer mit einem Rücklauf von 10 % der 70 Tausend Mitglieder gab ein fast schon erschreckendes Bild der Einigkeit und Zufriedenheit. Ein kleines Detail: Unter den Gründen, warum man Mitglied beim SCF wird nennen lediglich 1 oder 2 Prozent den »sportlichen Erfolg«. Die Zahlen sind auch stabil, egal wie lange jemand Mitglied beim SC ist, die mit über 20 Jahren auf dem Buckel antworten nicht wesentlich anders als die »Frischlinge«.

Also nein, nur weil der SC gerade 150 Mio. selbst erwirtschaftetes Eigenkapital auf dem Festgeldkonto hat, wird sich am Kurs nichts ändern. Im Gegenteil, ich denke, dass mit jedem Jahr, dass der SC sich Platz für Platz auf der wirtschaftlichen Rangstufe der Sportunternehmen nach oben bewegt, wird sich diese sture Festhalten an einer altmodischen Unternehmensstrategie eher noch verstärken.

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Interessant. Du bist tatsächlich der Erste, mit Blick auf die jeweilige Spielweise der Profi-Mannschaften. Das war der eigentliche Grund, warum mir die Gedanken zur Identität kamen. Ob ich das für viele Mannschaften einordnen könnte, oder ob es überhaupt darum geht.
Schätze ich einen Verein wegen seiner Spielphilosophie ? Verliere ich das Interesse weil sich die so verändert, dass mir das Zuschauen keinen Spaß mehr macht ? Oder hat er für mich eben eine übergeordnete Identität an der ich festhalte.

Das stimmt, als du über die Spielweise des BVB gesprochen hast, bin ich das mal gedanklich durchgegangen. Welche Mannschaft der Ligen hat da eine klar zu benennende Philosophie. Vom wem hängt diese ab und ist das für Fans wirklich wichtig.
Wenn nicht, worin begründet sich dann die Anhängerschaft. Mir fällt auf, wie wichtig einigen die Geschehnisse rund ums Spiel sind und wie wenig wichtig das Spiel selber.

Du hast das sehr ausführlich beschrieben und aufgedröselt, vielen Dank dafür, beantwortest aber am Ende meine Frage nicht :wink:. Hat die SGE für dich eine Identität ? Wenn ja, wie sieht diese aus und beinhaltet sie auch oder ausschließlich eine bestimmte Spielphilosophie?

Timing ist alles!!! Danke für die Info :hugs: ich weiß dass wir in Heidenheim ganz genau auf diesen Weg schauen, wohlwissend um die Chance, aus sich selbst heraus einen Platz im System zu finden.

Ich weiß, dass Ihr das auch zukünftig schaffen werdet. Anders als der SC, weil anderer Standort, andere Vorgeschichte, andere Sozialstruktur, Ostälbler halt, aber es ist im Kern der gleiche Ansatz: Durchhalten. Ich erinnere ein Interview mit Holger Sanwald, in dem er erzählte wie er bei irgendeiner Gelegenheit, mit Finke in den 90ern war es wohl, beim Bierchen saß und ihn nach dem Freiburger Weg fragte, ihn erzählt bekam und dann meinte, dass das ja eigentlich eine einfache Sache sei. Man müsse es halt auch durchhalten war Finkes Antwort.

Das Durchhalten habt ihr in Heidenheim wohl verinnerlicht: Das ist für mich auch Teil Eurer Identität. Des Vereines und der Mannschaften. Und ihr kommt ja noch von viel weiter unten. Chapeau Heidenheim.

Wo finde ich den „inoffiziellen Discord“? Ich hab die App, weiß nur nicht wie die Discord-Gruppe heißt.

Bei allem Respekt Kollege, ich hab mir das Motto nicht ausgedacht sondern die Marketingabteilung des Vereins.
Ich kritisiere ja auch, dass das Motto nicht in einer Fanabstimmung enstanden ist.

Um ein altes Fußballmeme aufzugreifen, verstehe ich jetzt nicht „woher die Schärfe kommt“

Wieso kritisierst Du mich für etwas, was ich nicht zu verantworten habe?

Ich kann gerade inhaltlich nicht ganz folgen, warum Einigkeit was schlechtes sein soll.

Hier der Link, unten in dieser Sendungsbeschreibung. Der sollte noch funktionieren.

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