Da sich Petras Ursprungspost auf mich bezieht, habe ich mir zu dem Thema auch meine Gedanken gemacht. Und ich finde, es ist am Besten, es einfach so generell wie möglich zu halten, einfach weil ich das Gefühl habe, dass die Frage generell ist und man sich bei konkretem „Der Verein hat das, der Verein nicht“ nur in Streitigkeiten über Details wiederfindet, die von der Ausgangsfrage ablenken. Denn natürlicherweise ist die Wahrnehmung unterschiedlicher Menschen mit unterschiedlicher Nähe zum Verein ganz anders. Aber ich denke man kann auch versuchen, die Frage relativ unabhängig von exakten Beispielen zu beantworten.
Also, wenn wir über Identität reden, dann gibt es hier mehrere Facetten. Identität heißt ja an sich
- „Der Verein ist…“
- „Der Verein steht für…“
- „Dem Verein ist wichtig, dass…“
- „Wenn ich an den Verein denke, dann…“
- und beliebig mehr.
Und da gibt es zwei generelle Perspektiven. Einmal die Selbstsicht von innen und das Bewusstsein, für was und welche gemeinschaftliche Aufgabe, man sich persönlich als Teil des Ganzen eigentlich engagiert. Und das geht ja vom Ehrenamtlevel hoch zum den Vorständen, an sich wird ja jeder wissen wollen, warum man das ganze macht. Und hier sieht man ja schon, dass das natürlich auch sehr unterschiedliche Ausmaße annehmen kann, weil jemand ja aus ganz anderen Gründen in seiner Freizeit eine Jugendmannschaft trainiert, als jemand die Gesamtverantwortung für den Jahresabschluss übernimmt. Sehr schwer das wirklich persönlich auseinander zu dröseln, weil wenn man ganz nah an den Verein heranzoomt, wird es immer komplexer und individueller.
Und dann gibt es noch die Außensicht durch Fans, nicht-aktive Mitglieder und die Medien. Jetzt kann man sich fragen, warum suchen Fans nach einer Identität im Verein. Weil auch sie wissen wollen, wo sie dran sind. Man ist ja dann doch in einer relativ großen emotionalen Verbindung zu einem Verein, und möchte einfach auch wissen, was das ist und was einen erwartet, denn sonst wird es auch zu einer sehr abstrakten Liebe. Und um Liebe für eine große Gruppe an Menschen zu empfinden, braucht man eben auch etwas, was all diese Menschen hinter dem Verein vereint und für mehr steht als ob nun die eine Fußballmannschaft, die gerade für den Verein antritt, Erfolg hat oder nicht. Ansonsten würden Fans ja nicht auch im Falle des Misserfolgs ihrem Verein gegenüber weiterhin zur Seite stehen wollen als Zeichen, dass man es mit der Treue und Liebe ernst meint. Und eine Identität ist dann auch eine Art Versprechen für die Fans, die diesen Bund fürs Leben eingehen, und eine Versicherung, dass gewisse Dinge nicht passieren können. Hier kann der Verein eben durch eine einheitliche Kommunikation, wo entsprechend nicht nur Worte sondern auch Taten sprechen, relativ schnell ein einheitlicheres Bild einer Identität zu schaffen. Auf dieses will ich mich im Folgenden vor allem konzentrieren.
Aber was ist „der Verein“ überhaupt? An sich gibt es ja wie erwähnt mehrere Aspekte des Vereins, die alle unter dem gleichen Namen laufen. Ich würde es in drei Aspekte unterteilen.
- Der e.V. als politisch-soziale Instanz
- Die geschäftlich-sportliche Führungsebene als finanzielle Instanz
- Die Mannschaft und das Trainerteam als sportlich-menschliche Instanz
Die drei Aspekte gehen dabei natürlich Hand in Hand, aber haben dennoch ihre eigene Aufgaben, dafür zu sorgen, dass der Fan eine gewisse Art der Identifikation verspürt. Sie bieten auch ihre Art der Teilhabe für Fans an, und natürlich schafft diese aktive Partizipation nochmal mehr Verbundenheit zum Verein als eine reine passive Rolle.
Fangen wir mit dem e.V. an. Dieser ist der Ausgangspunkt jeglicher gemeinschaftlicher Aktivität sowohl im Breitensport als auch im Profisport. Und es geht hier nicht nur um die Gestaltung der gemeinsamen Freizeit, sondern wenn man mehrere Zehntausend Mitglieder ist, dann ist man automatisch eine gesellschaftliche Instanz, die nicht nur die eigenen Belange prägt, sondern eben zumindest auch einen Teilaspekt des gesellschaftlichen Beisammenseins. Entsprechend ist es sicherlich für Fan der höchst-spielenden Fußballmannschaft hier wichtig, dass der Verein für den alles überspannenden Werte-Rahmen sorgt. Dieser soll idealerweise so unerschütterlich fest- und umgesetzt werden, dass er eine Art Ewigkeitsgarantie in der Satzung des Vereins hat. Und eigentlich kann der Verein als Repräsentant der Mitglieder-Mitbestimmung gar nicht anders als demokratische-gesellschaftliche Werte zu vertreten und muss da auch genügend Macht haben, diese durchzusetzen. Denn sie sollten eben wegen der gesellschaftlichen Rolle des e.V.s und vor dem Respekt der Mitglieder dafür sorgen, dass diese Dinge in allen Ausprägungsformen des Vereins gelebt werden. Durch die direkte politische und sozial-verantwortliche Involvierung der Mitglieder haben die Personen eine bessere Identifikation zum Verein.
Zweitens der geschäftlich-sportlichen Aspekt, denn ohne finanziellen und sportlichen Erfolg ist es unmöglich, mit Konkurrenten mitzuhalten. Hier geht es vor allem um die sogenannte „gute Arbeit“, die man wertschätzen kann. Aber an sich ist der Fan ja nun Fan eines Vereins und niemand wird sich in einen Verein verlieben, weil er so gute finanzielle Zahlen hat. Aber andererseits kann keine Mannschaft lange oben mitspielen, ohne diese finanzielle Grundlage. Hier legt man die Grundlage für eine relativ lange Zeit des Erfolgs und damit auch der Aufmerksamkeit, die einem in der Gesellschaft zuteil wird, um die eigenen Werte zu repräsentieren. Ein klassisches Dilemma. Jedoch gibt es allerdings unterschiedliche Dinge, wie man diesen finanziellen Rahmen schaffen kann. Man kann das Geld auch rein aus dem Geldbeutel von einzelnen Akteuren erlangen, die das Projekt als Möglichkeit der Wertsteigerung ihres Investments sehen. Oder man kann die Finanzierung des Projekts als gemeinschaftliche Aufgabe interpretieren und durch die Breite Masse der Fans, die alle gerne auch ihren finanziellen und nicht nur sozialen Beitrag leisten wollen, finanzieren. Aber man muss die Fans auch dann für ihren Einsatz für das gemeinschaftliche Projekt respektieren und sehen, dass bei vielen die Identifikation mit dem Verein so groß ist, dass sie erhebliche Teile ihres Grundeinkommens dafür nutzen, den Verein zu unterstützen. Auch Sponsoren und TV-Partner geben nur ihr Geld, um es von den Fans wieder zurück zu bekommen. Ein Verein ist eben keine Waschmaschinen-Marke und Fans sind keine Kunden oder Aktionäre, denn man kann im Vereinswesen auch nicht verlangen, dass man gewisse Gegenleistungen gesichert zurückbekommt und die Leistungen kommen vor allem aus Treue und Identifikation.
Und es gibt eben noch den sportlich-spielerischen und mannschaftlichen Aspekt. Denn man feuert ja dann im Stadion nicht nur die abstrakte Idee des Vereins oder ihre Geschäftsführer an, sondern auch immer eine Mannschaft und ihre Charaktere an. Und für nichts ist der Weg ins menschliche Herz so offen, wie andere Menschen. Wir schauen ja auch Sport, weil wir Lust auf Charaktere haben, denen wir sportlich Erfolg wünschen und an deren Erfolgen wir gerne teilhaben wollen. Und es ist ja auch motivierend und inspirierend, zu sehen, dass jemandes Einsatz sich gelohnt hat. Dazu hat man bei Mannschaftssport dann auch noch direkt die Momente, dass Spieler zusammen Spaß haben können, sich gemeinsam freuen können und für einander arbeiten können. Das ist ja etwas, was im normalen Alltag eher weniger passiert und dann so einen Zauber der Emotionen schafft. Wenn man sich gar nicht für die Spieler und deren Mannschaftschemie interessieren würde, dann wäre es auf jeden Fall ein anderes Spiel und man würde eben weniger intensiv auch teilhaben wollen, sie aktiv zu Höchstleistungen zu pushen.
Es gibt noch weitere Faktoren, die ich aber als weniger wichtig erachte. Einerseits gibt es Mannschaften und Vereine, die sich über einen Spielstil definieren und nur wenn das erfüllt ist, dann ist es richtig. Ich selbst denke einfach nicht, dass das Fans so wichtig ist und dass sich der Fußball eh immer weiterentwickelt, dass man eine Vereins-DNA eh nie durchziehen kann. Und natürlich spielt auch eine Rolle, mit welchen anderen Fans man Fußball schaut. Und so eine echte soziale Interaktion im Kontext des Vereins ergibt natürlich auch eine Erweiterung der Identifikation mit dem Verein, aber das ist auch eher indirekt.
Also zusammenfassend, ja ich denke es gibt Identifikation mit dem Verein. Denn wenn der Verein komplett orthogonal zu einem selbst wäre und wir nichts von uns darin finden würden, dann wäre man kein Fan. Und dabei ist Erfolg gar nicht so wichtig, ansonsten wären Duisburg-Fans nicht auch in der Regionalliga West weiterhin am Start. Es ist halt mehr als ein Unterhaltungsprodukt, sondern eine Gemeinschaft, die man sucht, die versucht unter sozialer Verantwortung mit vernünftigen Charakteren auf und neben dem Platz so viel Erfolg zu haben, wie es eben möglich ist. Es war früher eine vereinsgeführte Mannschaft von Freunden, die alles für einander gegeben haben und das kann auch mit mehr Professionalisierung im geschäftlichen Bereich immer noch der Fall sein. Es ist zwar schwieriger, aber für mich nachhaltiger auch auf Charaktere und Werte zu achten und nicht nur auf die Zahlen. Man sollte eben einfach weiterhin die Natur des Vereins und seiner Fans respektieren, ansonsten macht man irgendwann Sport für die Galerie, aber nicht für die Menschen dahinter, die aus ihrer Identifikation das alles finanzieren.
Und ich denke, die Identifikation leidet entsprechend auch, wenn man anfängt, nur noch die geschäftliche Seite des Sports hervorzuheben, und der e.V. selbst taucht immer weniger und man hat das Gefühl, der Verein ist nur noch der Geschäftsführer und sein Erfolg. Und entsprechend gibt es auch kein Gegenwind, wenn die Abteilung argumentiert, man muss nun zur Maximierung des scheinbaren Erfolgs gewisse Werte des Vereins ignorieren. Oder man holt Spieler, die vom Charakter her wenig in ein Mannschaftsgefüge passen und mit denen die Fans wenig mitfiebern können, aber man erhofft sich einfach, dass sie mit ihrem reinen Individualtalent den sportlichen Erfolg maximieren können. Aber wenn man dann alles nur auf den Erfolg auf dem Papier setzt, dann muss dieser auch kommen, ansonsten weiß bald niemand mehr, warum man sich das Ganze antut und könnte sich selbst im Falle des Erfolgs nicht mehr so freuen wie früher.
Edit: Btw hier ging es mir nie darum, dass ein Verein ein Alleinstellungsmerkmal haben muss, denn das ist Identität nicht für mich. Von mir aus kann sich jeder Verein so verhalten wie es das Richtige ist, und dann macht am Ende halt aus, bei welchem Verein man zuerst angebissen hat, denn ein USP braucht man nicht wirklich, wenn die Bindungskraft eh so groß ist, dass man eh nicht loslassen kann. Aber diese Bindungskraft muss halt existieren, ansonsten sucht man sich andere Leidenschaften im Leben.